
Espresso am Flughafen Kloten, ein Film mit Leonardo DiCaprio, Dunkelheit, Tageslicht, geweckt vom Geräusch von Gummi auf Asphalt, Passkontrolle in Bangkok, ein Schild mit meinem Namen, der Fahrer trägt weisse Handschuhe, keine Ahnung, wo wir hinfahren. Zu einem wackligen Steg, im Wasser schaukelt ein Schnellboot mit Ledersitzen, nach rasanter Überfahrt ein einsamer Sandstrand, darauf ein Chang-Bier in die Hand gedrückt. So ergeht es dem, der den Flug verpasst hat und auf Kosten des Veranstalters nachreisen darf. Kein Groll, nur Begrüssungsblumen, schliesslich sind wir im Land des Lächelns: Herzlich willkommen auf der Insel Koh Samet im Golf von Thailand.
Stärkere nimmt sich den Vortritt
Die anderen Rallye-Teilnehmer aus der Schweiz sitzen schon im Swimmingpool, lachen den aus, der mit 24 Stunden Verspätung ins Rennen steigt. Der bevorstehende Roadtrip ist nur der Rahmen dieser Reise. Was zählt, sind die bleibenden Eindrücke durch die Windschutzscheibe. Los gehts: 10 Frauen, 6 Männer, 5 Geländewagen, 1 Ziel: die Tempel von Angkor Wat in Kambodscha. Wem lacht am Ende das Glück?
Hält man sich an ein paar Regeln, ist Autofahren in Thailand einfach. 1. Es herrscht Linksverkehr. 2. Der Stärkere nimmt sich den Vortritt und zeigt das mit Lichthupen an. 3. Nach dem Eindunkeln wirds gefährlich: wegen streunender Hunde, übermüdeter Fernfahrer und Autos, die ohne Licht unterwegs sind. 4. Wer die Nacht nicht im Gefängnis verbringen will, trinkt keinen Alkohol.
Die meisten Strassen im Osten Thailands sind in hervorragendem Zustand. Und abgesehen von Bangkok geht es darauf recht gesittet zu und her. Die Thailänder bevorzugen Pick-ups, mit denen sie die Ernten auf die Märkte transportieren. Oft ist auf der Ladefläche wesentlich mehr Ware festgezurrt, als es das Gesetz erlauben würde. Die Polizei lässt die Bauern jedoch gewähren, da Mehrfahrten das Verkehrsproblem in den Innenstädten zusätzlich verschärfen würden. Wir fahren einen Offroader.
Stinkfrucht mit Hotelverbot
Vorbei an Mangosteenplantagen und Zibetbäumen, wo in stacheliger Hülle die Königin der Früchte heranreift: Durian, von Kostverächtern als «Stinkfrucht» verschrien und aufgrund des an faule Eier erinnernden Geruchs mit einem Hotelverbot belegt. Eine Fähre bringt uns nach Koh Chang, die nach Phuket zweitgrösste Insel Thailands. Ein Rudel aufgebrachter Affen auf Strommasten bildet unser Empfangskomitee. Die Elefanteninsel ist mitten in einem Nationalpark gelegen, hat ein bergiges Landesinneres, dichten Dschungel mit pittoresken Wasserfällen, und an der Westküste lockt ein kilometerlanger, von Palmen gesäumter Strand. Dort lassen wir die Offroader stehen, beziehen unsere Bungalows und gehen aus.
Am erstbesten Bartresen verlieren wir im «Vier gewinnt» gegen immer lächelnde Bardamen, ärgern dann eine Gruppe gelangweilter Backpacker mit unseren tief in den 80ern beheimateten Musikwünschen und finden uns schliesslich auf dem Rücksitz eines Motorrollers wieder, dessen Fahrerin uns aber nicht an den angesagten White Sands Beach fahren will, sondern direkt zu sich nach Hause: «I can make you happy.»
Wir steigen ab und gehen zu Fuss. In der Sabay Bar schlürfen wir Wodka aus Plastikbechern und hören einer Coverband zu. Auf der Toilette reichen Angestellte warme Handtücher und manipulieren ungefragt verspannte Halswirbelsäulen. Am White Sands Beach erinnert Koh Chang fast an Pattaya, nur begleiten hier exotische Vogelstimmen aus dem nahen Gehölz in den Schlaf, nicht Gehupe und Discogedröhn.
Ab auf die Elefanten
Am Tag darauf, irgendwo im Dschungel: endlich Elefanten. Wer will, darf mit den Tieren in einem Teich baden und ihre ruppige Haut striegeln. Eine Gruppe Thais bietet hier im Hinterland Elefantentrekking an. Auf dem Rücken der Tiere gehts ab ins unwegsame Dickicht. Ein Stich mit dem Eisenhaken gibt dem Elefanten die Richtung vor – kein schmerzfreies Kommando, wie wir später im Airline-Magazin von einer Tierschützerin erfahren. Trotzdem scheint es, als hätten es die Elefanten hier besser als jene in den Vergnügungsparks, die zum entwürdigenden Seilziehen mit Touristen gezwungen werden. Oder jene ausrangierten Exemplare, die angekettet in schäbigen Unterständen ein trostloses Dasein fristen.
Pause im Niemandsland
Auf der Fahrt die kambodschanische Grenze entlang Richtung Norden, wo während der Schreckensherrschaft der Roten Khmer die Flüchtlingslager waren, werden wir vom Monsun überrascht. Der heftige Regen zwingt uns zu einer Pause im Niemandsland. Aber auch hier bietet eine junge Mutter an ihrem improvisierten Stand frisch gepflückte Langsat-Früchte an. Und in kleine Flaschen abgefülltes Benzin.
Bei Aranyaprathet gelangen wir nach Kambodscha. Unsere Mietwagen lassen wir stehen, Thai-Nummernschilder sind beim Nachbarn nicht erlaubt. Der Grenzort ist ein stinkender Moloch: Alle kümmern sich um die Visa, niemand um den Dreck im ausgetrockneten Flussbett.
Das erste Gebäude nach dem Grenzposten ist ein Casino. Davor bettelt ein Minenopfer im Rollstuhl, Kinder verkaufen hölzerne Armbänder und Ansichtskarten von schöneren Orten als ihrem Arbeitsplatz: «Only one dollar, Sir.»
Ein Bus fährt uns nach Siem Reap, vorbei an Reisfeldern, wo Bauern zu Hunderten Heuschreckenfallen aufgestellt haben. Frittiert gelten diese Insekten als eine Delikatesse, genauso wie die Vogelspinne.
Riesige Tempelanlagen
In Siem Reap betreibt nicht nur Beat Richner eines seiner Kinderspitäler, der Ort ist auch idealer Ausgangspunkt für ausgedehnte Entdeckungstrips durch die riesigen Tempelanlagen von Angkor. Ein Tuk-Tuk bringt uns ins Reich der geköpften Buddhas und Aspara-Tänzerinnen. In den verwunschenen Ruinen tauchen wir ein ins Milchmeer und jagen Affenarmeen, erträumen uns eine Hochkultur, deren Stätten später als Waffenlager der Roten Khmer missbraucht wurden oder als Kulisse für «Lara Croft: Tomb Raider».
Zurück in Bangkok, wird auf der Dachterrasse eines Luxushotels das Siegerteam der Rallye bekannt gegeben, dazu gibt es Schinkengipfeli. Später Espresso am Flughafen, ein Film diesmal mit Ewan McGregor, der Dunkelheit hinterhergeflogen, erste Sonnenstrahlen über dem Montblanc, wieder das Geräusch bei der Landung, Passkontrolle: «Grüezi». In Kloten fährt die S-Bahn nach Zürich ein, am Handgelenk baumelt ein Bändchen aus roter Wolle, das Glück versprechen soll.
Dieser Beitrag entstand mit Unterstützung von Tourasia
Quelle: http://www.tagesanzeiger.ch/leben/reisen/Im-Offroader-auf-der-Insel-der-Elefanten-/story/23114902
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