Donnerstag, 19. August 2010

Mutprobe auf zwei Rädern – mit dem Fahrrad durch Bangkok

Recreational Bangkok Biking
Baan Sri Kung 350/127, Soi 71, Rama 3 Road, Yannawa
Bangkok 10120, Thailand.
Tel: 02 285 3955 / 02 285 3867
Fax: 02285 3431
Internet: www.bangkokbiking.com

Auszug aus der Berliner Zeitung vom 27.02.2010 (Bericht von Martina Miethig)
Zum Kuriosesten, was das hippe Bangkok zu bieten hat, gehören die Radwegmarkierungen. Zum Beispiel auf dem Bürgersteig an der Sukhumvit Road im trubeligen Hotel- und Barviertel: Die Fahrbahn hat je nach Tageszeit sechs bis zehn Fahrspuren. Den kaum zwei Meter breiten Bürgersteig teilen sich Touristen und Barmädchen, adrett gekleidete Kaufhausangestellte und Mönche. Sie alle drängeln, stöckeln und winden sich durch die Chiliwolken der vielen Garküchen, vorbei an überquellenden Souvenirständen, schiefen Telefonzellen und exakt gurgeltief hängendem Kabelgewirr. Und nun auch noch Radfahrer! Auf die Idee, ausgerechnet in diesem Moloch Rad-Touren für Touristen anzubieten, konnte nur ein Verrückter kommen. Oder ein ausgewanderter Holländer. Einer wie André Breuers.

„Ich war anfangs auch skeptisch, bei so vielen Wolkenkratzern, Stau und dicker Luft“, sagt Breuer und witzelt über ein Klischee über seine Landsleute: „Wer sollte hier Radfahren wollen außer den Holländern, die alle auf dem Rad geboren werden?“ Als ein Mofataxi-Fahrer aus der Nachbarschaft Breuer nach dem Anschaffungspreis seiner ATB-Komfort-Fahrräder fragte, war selbst der Thai geschockt: „20000 Baht? Are you crazy? Dafür bekommst du doch ein richtig gutes Motorrad!“ Doch André Breuers Räder rollen, er hat einen Preis gewonnen und sogar Stammgäste. Und auch wir wagen mit ihm die Mutprobe auf zwei Rädern.

Neugierig und ein wenig ängstlich schwingen wir uns auf die Fahrräder, zwei ältere deutsche Urlauberpärchen fahren voraus. Breuers Rat: Immer schön links halten, einer hinter dem anderen. Wir biegen sogleich ein in die Rama III. Road, eine Hauptverkehrsader im Süden Bangkoks. Das bedeutet: sich tapfer behaupten in einem täglichen Verkehrsaufkommen aus gut fünf Millionen Autos, Pickup-Trucks, im Zweiertakt knatternden Tuktuks mit bläulichen Abgasfahnen und ganzen Horden gleichzeitig an den Ampeln aufheulender Mopeds. Macht summa summarum rund eine Tonne Blei am Tag.
In Thailand herrscht übrigens nicht nur Linksverkehr, sondern auch das Recht des Stärkeren. Was für die meisten Thai im Falle eines Unfalls nicht ganz so schlimm ist, denn Buddhisten werden wiedergeboren. Nur wir sechs Ausländer nicht. Die Thai am Straßenrand gucken uns mitleidig an oder lächeln, was hierzulande bekanntlich vieles heißen kann.

Nach 15 Minuten biegen wir ab. Aufatmen, es folgt eine überraschend entspannte Radelei entlang von Apartmenthäusern mit Palmengärten -bis plötzlich eine Mauer den Weg versperrt. Ab in den Hinterhof Bangkoks. Wir zwängen uns mit den Rädern und eng an den Körper gepressten Ellbogen in eine Gasse aus Bretterverschlägen: vorbei an Geisterhäuschen und bunter Wäsche, verblichenen Wahlplakaten, Blumentöpfen und Satellitenschüsseln. Einige Bewohner in der Armensiedlung von Yannawa sitzen auf ihren Türschwellen und grinsen den Radlern hinterher. „Mind your head“, ruft ein alter Thai mit bloßem hageren Oberkörper, passen Sie auf Ihren Kopf auf! Wellblechreste ragen in den Weg, Kabel hängen kreuz und quer. Es riecht nicht gerade nach Orchideen, denn heute morgen schwappte der Fluss Chao Phraya mal wieder kräftig über die Sandsäcke am Pier.

André Breuer hat das labyrinthische Viertel rund um sein Büro monatelang kreuz und quer mit dem Rad erkundet und dabei auch die Nachbarn in den Slums kennengelernt. Mittlerweile schätzen ihn viele Bewohner, denn er hat hier vor Jahren einen Kindergarten gegründet, den er ebenso wie eine Muay-Thai-Kickboxschule bis heute mit Spenden unterstützt. Breuer bietet seinen Gästen beim „Recreational Bangkok Biking“ einen Blick hinter die glitzernden Kulissen der Luxusshoppingcenter, der vor Gold strotzenden Tempel und Klöster, der prächtigen Hotellobbys und wohl riechenden Spa-Oasen. Die Räder rollen quasi mitten durchs Wohnzimmer, wir blicken in Kochtöpfe und in kleine Familienbetriebe. „Sweatshops“ zum Beispiel, in denen 60 Stunden in der Woche die Nähmaschinen im Akkord rattern, auch am Sonntag.

Die schönste Gegend der Radtour kennt kaum ein Bangkok-Bewohner, sie ist auf keinem Stadtplan verzeichnet. Selbst Breuer hat diese „grüne Lunge“ zuerst nur aus seinem Appartment-Hochhaus gesehen: den der Königin gewidmeten Park in Phra Padaeng auf der anderen Seite des Chao Phraya. Wir setzen mit dem knatternden Longtailboat über. Die Räder rollen entlang von Kanälen und Seen unter einem dichten Dach aus Kokospalmen, Bananenstauden, Mango- und Papayabäumen. Schmetterlinge vor der Nase, Warane im Dickicht, Hibiskus an Gartenzäunen. Alte Holzhäuser stehen auf Palmstamm-Pfählen mitten im Wasser. Auf den schnurgeraden Betonstegen überholen wir einen Mann mit einer Karre voller Kokosnüsse -“Sawadikaaa!“ Guten Tag!

Nach drei Stunden grüner, fast dschungeliger Oase, als wir schon nicht mehr glauben können, in Bangkok zu sein, zeigen sich in der Ferne wieder die ersten Hochhäuser. „Zurück in den Betondschungel“, ruft Breuer. Unglaublich: Wir waren während der 25-Kilometer-Tour nie mehr als fünf Kilometer Luftlinie von der zehnspurigen Sukhumvit Road und ihrer schon verbleichenden Radspur entfernt.

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